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Belgisches Gericht zu Tihange 2. Urteil im September. Breite Allianz unter Führung der StädteRegion fordert sofortige Stilllegung des Pannen-Reaktors
Zwar gibt es noch kein Urteil im Prozess um die sofortige Stilllegung des als „Pannen-Reaktor“ bekannt gewordenen Meilers „Tihange 2“. Doch nach dem Austausch der Argumente von Klägern und Beklagten vor dem Gericht erster Instanz in Brüssel erwarten die Kläger, dass es auch noch in diesem Jahr – konkret im September - zu einem Richterspruch kommt. „Wir haben gute Argumente und nach wie vor die Hoffnung, dass dieses gefährliche Spiel der Betreiber mit der Sicherheit von Millionen Menschen noch 2020 ein Ende haben wird“. So bringt Städteregionsrat Dr. Tim Grüttemeier die juristische Auseinandersetzung um den Bröckelreaktor, der nur 60 Kilometer von Aachen entfernt steht auf den Punkt. Er ist immer noch in Betrieb, obwohl es größte Sicherheitsbedenken gibt.
Eine breite Allianz unter Führung der StädteRegion Aachen hatte deshalb schon Ende 2016 in Brüssel eine Klage gegen den Weiterbetrieb von Tihange 2 auf den Weg gebracht. Sie alle machen ihre persönliche Betroffenheit geltend und klagen wegen einer Gefährdung von Leib, Leben und Gesundheit, die nach ihrer festen Überzeugung von Tihange 2 ausgeht. Die Klage richtet sich gegen den Belgischen Staat, die Föderalagentur für Nuklearkontrolle (FANC) sowie den belgischen Stromversorger und Betreiber der Atomkraftanlage, Engie Electrabel. Nachdem im Jahr 2018 in den Sicherheitsbunkern einiger Tihange-Reaktoren der Abbau von Beton sowie Anomalien in den Stahlverstärkungen festgestellt worden waren, hatte die Klagegemeinschaft Ende Dezember 2018 neue Argumente in das laufende Gerichtsverfahren eingebracht. Angeblich seien zwischenzeitlich Betonbunker saniert worden, einen Sicherheitsnachweis gibt es indes nicht. Nach rund einem Jahr Stillstand ging Tihange 2 im Juli 2019 wieder ans Netz, musste aber wegen technischer Probleme schon Anfang Oktober wieder heruntergefahren werden.
Dr. Tim Grüttemeier: „Die StädteRegion Aachen, die Stadt Maastricht, die luxemburgische Stadt Wiltz sowie neun natürliche Personen, zwei Bundesländer und zwei Unternehmen aus der Region klagen mit uns vor dem Gericht der ersten Instanz in Brüssel. Nach nunmehr 3 ½ Jahren fand heute (18. Juni 2020) die erste mündliche Verhandlung statt. Da wegen der Corona-Pandemie – auch bei Gerichtsverhandlungen – strenge Auflagen gelten, haben wir nicht an der Verhandlung teilgenommen. Stattdessen hat uns unser Anwalt Tim Vermeir vor Ort vertreten und über den Verlauf der Verhandlung informiert“.
Dabei wurden von den Anwälten der FANC und Electrabel, aber auch der Klagegemeinschaft in einer dreistündigen Sitzung alle Argumente vorgetragen. Es wird nun keinen weiteren Verhandlungstermin mehr geben. Die drei Richter werden noch im September das Urteil verkünden. Zu den Klägern gehören auf der deutschen Seite die Vorsitzenden der im Städteregionstag vertretenen Fraktionen, der Vorsitzende des Personalrates und die Aachener Verlagsgesellschaft, sowie die Weiss-Druck GmbH. Als Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz ist der Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten nach Aachen gekommen. Sie alle eint die klare Forderung, Tihange 2 unverzüglich stillzuzulegen oder zumindest abzuschalten, bis die Sicherheit lückenlos und wissenschaftlich fundiert nachgewiesen wird.
Eines liegt für alle Kläger auf der Hand: Nicht nur die Dreiländer Region Aachen, sondern weite Teile des Bundesgebietes, der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs wären im Falle eines Super-GAUs von der Katastrophe betroffen. Das bestätigt die Studie des Wiener Instituts für Bodenkultur. Und ebenso klar ist, dass die Sicherheit von Tihange 2 nicht nachgewiesen ist. Auch das nehmen die Kläger nach der Verhandlung in Brüssel mit. Denn von der Gegenseite wurde kein einziges schlüssiges Argument für die Sicherheit des Meilers vorgebracht. Für die Kläger ist es zudem in höchstem Maße ärgerlich, dass sich die Gegenseite in ihrer Argumentation einer irreführenden Aussage der deutschen Reaktorsicherheitskommission bedient. Die Beklagten interpretieren deren Aussagen als Bestätigung, dass die Anlage Tihange 2 sicher betrieben werden könne. Wer die Stellungnahme jedoch aufmerksam liest, stellt fest, dass die Frage bezüglich einer ausreichenden experimentellen Absicherung der Berechnungsmethoden für Rissfelder bislang nicht hinreichend beantwortet werden konnte.
Städteregionsrat Dr. Tim Grüttemeier: „Die Anwälte der Gegenseite haben heute noch einmal vorgetragen, dass das Kraftwerk aus ihrer Sicht sicher betrieben werden könne. Sie sehen insoweit keine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Leben und auf eine gesunde Umwelt). Sie haben vorgetragen, dass die Klagen aus ihrer Sicht unzulässig seien, und es außerdem noch keinen Schaden gebe. Dazu kann ich nur sagen, dass wir sehr froh sind, dass es NOCH keinen größeren Schaden gibt und inständig hoffen, dass das so bleibt“!
Die Kläger rechnen noch in diesem Jahr mit einem Urteil des Gerichts der ersten Instanz in Brüssel und hoffen, dass sich das Gericht – im Gegensatz zum Staatsrat, der eine Klage der StädteRegion im Jahr 2018 aus formellen Gründen abgewiesen hatte – in diesem Fall sehr sorgfältig mit den Sachargumenten auseinandersetzt und den weiteren Betrieb von Tihange 2 untersagt!
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