Breadcrumb
Erinnerungskultur im digitalen Zeitalter: Mit Podcasts gegen das Vergessen.

StädteRegion Aachen. „Was geschah mit jüdischen Fußballern während des Nationalsozialismus bei Alemannia Aachen?“ und „Wie erlebten Zeitzeugen die Evakuierung und Nachkriegszeit in der Region?“ – diese und weitere Fragen beantworten Schülerinnen und Schüler des Rhein-Maas-Gymnasiums Aachen und Jugendliche aus Eupen in Podcasts. Dabei handelt es sich um ein gemeinsames Projekt des Instituts für Demokratiepädagogik (IDP) aus dem ostbelgischen Eupen und des Bildungsbüros der StädteRegion Aachen zur Förderung grenzüberschreitender europäischer Zusammenarbeit und Erinnerungskultur für Jugendliche. Ziel ist es, Formate zu entwickeln, in denen sich grenzübergreifend mit der lokalen Geschichte im Nationalsozialismus, Identitätsfindung und –manipulation auseinandergesetzt wird. Weitere Podcastthemen sind ein „Kunst-Talk über ein Kriegsbild aus dem ersten Weltkrieg“, eine „Reportage zur Frage nach der Faszination von Faschismus früher und heute“ und die „Identitätssuche als Bayer in Ostbelgien“.
Die sieben Jugendlichen sprechen in ihren Podcasts mit Zeitzeugen, so unter anderem mit einem Ehepaar aus dem Vaalser Quartier über die Nachkriegszeit. „Mich hat so beeindruckt, als die Zeitzeugin erzählt hat, dass die Erlebnisse aus ihrer Kindheit im Krieg sie bis heute prägen und sie zum Beispiel kaum im Wartezimmer einer Arztpraxis sitzen kann, weil dann die traumatischen Bilder aus dem Luftschutzkeller zurückkommen“, fasst eine 15-jährige Projektteilnehmerin zusammen. „Eher etwas featurehaftes, reportagiges, auf jeden Fall keinen Laber-Podcast“ wollte ein anderer Schüler machen. Er entschloss sich bei seinem Podcast „Faschismus damals - heute“, Bezüge zwischen historischem Material und der Gegenwart herzustellen. Hierfür verwendet er Auszüge aus 50 Jahre altem O-Ton-Material von Aachener und Eupener Flak-Helfern. Das waren unter anderem Schüler, die im zweiten Weltkrieg in der Luftverteidigung an Flugabwehrkanonen eingesetzt wurden. Es sprechen Menschen aus der Region, die in der Rückschau ihre jugendliche Begeisterung für die Sport- und Freizeitangebote der Hitlerjugend zum Ausdruck bringen. Diese Eindrücke stellt der Schüler einem Gespräch mit einem Psychologen aus Eupen gegenüber, der im Bereich der Radikalisierungsprävention arbeitet. In den Podcasts kommt außerdem der Sozialwissenschaftler Herbert Ruland zu Wort, der in der Deutschsprachigen Gemeinschaft zu Themen des Nationalsozialismus arbeitete. Geplant ist auch ein Interview mit dem Leiter des Stadtarchivs, der zu jüdischen Fußballspielern bei der Alemannia geforscht hat.
Unterstützt werden die Jugendlichen bei den Aufnahmen von der Hörfunkautorin Michaela Natschke und professionellen Podcastern. Sie vermitteln den Jugendlichen die nötigen Fähigkeiten, um ihre Podcasts kreativ und informativ zu gestalten: Vom klassischem Storytelling-Model, Skript schreiben und Cover-Gestaltung bis hin zu Interview-, Aufnahme- und Schnitttechniken. „Ihr müsst Bock aufs Thema haben. Es wird gut, wenn es euch interessiert und nicht, was ihr denkt, was andere wollen!“, so der Workshop-Leiter Matz Kastning. „In dieser Arbeitsgruppe arbeiten junge Menschen aus Aachen und Eupen zusammen, die sich sonst nicht kennengelernt hätten. Dabei treffen ganz unterschiedliche Lebensentwürfe, Generationen und Persönlichkeiten aufeinander, die sich über die Grenzen hinweg zu einem Thema austauschen und merken, wie viele unterschiedliche Zugänge und Perspektiven es gibt. Die Podcastfolgen der Teilnehmenden werden daher so vielfältig, wie ihre Interessen“, verdeutlicht Linda Jo Siemon vom Bildungsbüro der StädteRegion Aachen. Grenzüberschreitende Exkursionen bieten den Jugendlichen die Chance, mehr übereinander zu erfahren und fördern so den Austausch und das Verständnis untereinander. So gab es unter anderem schon einen Ausflug zum Erinnerungsort Vogelsang IP.
Die Podcasts sollen nach Abschluss des Projektes auch für die Öffentlichkeit zugänglich sein. „Es ist toll zu sehen, wie sehr die Jugendlichen bei der Recherche und auch während der Podcastaufnahmen aufblühen. Zwei Teilnehmende haben schon Pläne, auch nach Abschluss des Projekts weiter Podcasts aufzunehmen“, so Dr. Tomke Lask vom Eupener Institut für Demokratiepädagogik.
Das Projekt „Euregionale Demokratiebildung und Erinnerungsarbeit konzipieren“ (EDE) wird durch das EU-Programm Erasmus+ gefördert. Weitere Informationen zu Erasmus+ gibt es hier: https://www.erasmusplus.de/. Weitere Informationen zum Institut für Demokratiepädagogik gibt es hier: https://idp-dg.be/.
